Afrikanische Labeos

19.01.2018
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Hälterungserfahrungen mit afrikanischen Labeos (Fransenlipper)

Mit einem gewissen Unwohlsein erinnere ich mich an meine aquaristische Anfangsphase vor über 30 Jahren zurück, als in meinem damaligen Gesellschaftsbecken ein Feuerschwanz Labeo bicolor aus Südostasien sein neues zu Hause fand. Ein wunderschön schwarz gefärbter Vertreter, der mit seiner leuchtend roten Schwanzflosse und einer Größe von etwa 12 cm seinem deutschen Namen alle Ehre machte. Nach relativ kurzer zeigte er jedoch ein hässliches Gesicht. Er ließ keine Gelegenheit aus, seine Mitbewohner (Schwertträger, Skalare, Salmler etc.) gehörig zu drangsalieren. Aus Literaturangaben entnahm ich, dass Feuerschwänze bis zu 20 cm groß werden sollen. Ein möglicherweise aggressives Verhalten wurde mir damals im Fachhandel ebenfalls als nicht gänzlich unbekannt bestätigt. So gab ich die schwarze Schönheit schweren Herzens an einen befreundeten Aquarianer ab, der ein entsprechend großes Becken mit Cichlidenbesatz betrieb.

Nach dieser Labeo-Erfahrung machte ich um Feuerschwänze und andere Gattungsvertreter einen großen Bogen. Dies blieb bis vor 2 Jahren so. Mit der Pflege afrikanischer Buntbarsche aus den großen Grabenbruchseen entnahm ich aus der Literatur, dass neben den Cichliden auch andere Fischgruppen in den Seen vorkommen – so auch Labeo-Arten. Auf der Suche nach möglichen Mitgesellschaftern für meine Buntbarsche hielt ich auch Ausschau nach afrikanischen Labeos. Diesen eilte der Ruf voraus, auch extrem aggressiv zu sein, riesig groß zu werden und farblich wenig ansprechend zu sein.

Labeo variegatus

Vor drei Jahren entdeckte ich beim Besuch eines größeren Aquaristik-Fachgeschäftes im Frankfurter Raum in einem der Ausstellungsbecken neben Tanganjikasee-Cichliden einen unbekannten Labeo mit einer Größe von etwa 12 cm. Dieser fiel mir durch seine dunkel gescheckten Seitenflanken mit roten Einsprenkelungen sofort ins Auge. Auf Nachfrage erhielt ich die Information, dass es sich um einen afrikanischen Labeo variegatus aus dem Kongo-Einzugsbereich handelt. Die Definition „graue Gräte“ erschien mir bei diesem Anblick nicht passend. Allerdings wurde das Tier als Einzelvertreter im Becken gehalten, da trotz einer Beckengröße von ca. 1.000 L eine gemeinschaftliche Haltung mehrerer Labeos wegen der hohen innerartlichen Aggression in einem Behälter nicht möglich war. Dieser Hinweis schreckte mich natürlich schon wieder von einem Erwerb ab, zumal es sich auch um ein Einzeltier handelte.

In der Folgezeit konnte ich es mir trotzdem nicht verkneifen, aus der greifbaren Literatur und über das Internet weitere Informationen über diese Fransenlipper einzuholen. Es bestätigten sich die Hinweise auf ihre hohe Aggressivität. Ausgewachsene Tiere sollen eine Größe von max. 30 cm erreichen, unter Aquarienbedingungen aber häufig kleiner bleiben. Im Jahre 2005 ergab sich der Zufall, dass mir über einen befreundeten Händler Labeo variegatus mit einer Größe von ca. 10 cm angeboten wurden. Die Neugierde überwog und ich ergatterte 5 Tiere, die bei mir gemäß der Vorinformationen separat in einzelnen Cichlidenbecken mit Größen von 200-320 L einquartiert wurden. Das Wasser lag mit seinem pH-Wert bei etwa 7,5-8,0, die Temperatur bei 24°C.

Ich beobachtete ich die Tiere sehr genau, ohne dass vergleichbare Marotten wie bei meinem damaligen Labeo bicolor festzustellen waren. Ganz im Gegenteil, die Tiere lebten sich sehr gut ein und meine Begeisterung über die neuen Mitbewohner wuchs stetig. Sie stellten sich als friedvolle Mitbewohner heraus, die mir bisher unter den beschriebenen Pflegebedingungen keinerlei Probleme bereitet haben. Die Tiere erhalten eine abwechselungsreiche Mischung aus Frostfutter (Cyclops, weiße Mückenlarven) und Trockenfutter mit pflanzlichen und tierischen Bestandteilen. Unter den beschriebenen Pflegebedingungen haben meine Tiere mittlerweile eine Größe von etwa 15 cm erreicht. Ob das die Endgröße unter Aquarienbedingungen ist, bleibt abzuwarten. Was ihr Sozialverhalten anbelangt, bleibe ich auch weiter Optimist.

Vor etwa einem Jahr erblickte ich einen weiteren afrikanischen Fransenlipper. Es handelte sich hierbei um den Labeo longipinnis, der ebenfalls aus dem Kongo-Einzug stammt. Der Longipinnis weist zwar nicht die schöne Färbung des Variegatus auf, doch durch sein lebhaftes Wesen, seine schöne Form und Beflossung wird er als schönes Tierchen umschrieben. Allerdings differierten die Angaben über seine Endgröße von 30-70 cm. Trotzdem siegte meine Neugierde, und ich erstand 4 Tiere mit einer Größe von etwa 5 cm. Die Neulinge bezogen ein neues Zuhause, dass sie zunächst mit afrikanischen Salmlern, Zwergcichliden und kleinen Fiederbartwelsen in einem 120L-Aquarium teilen sollten.

Labeo longipinnis

Im Verlauf der folgenden Wochen fielen mir zwei Tiere aus, ohne dass ein augenscheinlicher Grund festzustellen war. Die anderen beiden Fransenlipper sind unter den bereits zuvor beschriebenen Bedingungen bei einem pH-Wert von etwa 7,5 auf knapp unter 10 cm herangewachsen. Ein ausgeprägtes Aggressionsverhalten gegenüber anderen Mitbewohnern konnte ich bis heute nicht beobachten. Untereinander „kabbeln“ sich die beiden gelegentlich, drohen sich manchmal in einer antiparallelen Stellung an. Ernsthafte Beißereien oder sogar Verletzungen konnte ich jedoch bis jetzt nicht beobachten.Bei beiden Tieren fällt jedoch auf, dass eines eine hellere schwarzbraune Färbung als sein Artgenosse aufweist. Ob es sich hierbei um den Quasi-Ausdruck des unterlegenen Tieres oder etwa um einen Geschlechtsunterschied handelt, ist nicht konkret festzustellen.

Da sich bis zum heutigen Tage in dem 120L-Becken keine negativen Beobachtungen ergeben haben, beließ ich die beiden Longipinnis auch in ihrem Zuhause. Für mich hat sich die zweite afrikanische Fransenlipper-Art ebenfalls als interessanter Pflegling gezeigt.

Nach Literaturangaben liegen zum Thema Nachzuchterfolge keine Hinweise vor.

Labeo longipinnis

Zusammenfassend lassen sich folgende Aspekte festhalten:

Fransenlipper-Arten können durch aggressives Verhalten Probleme bereiten, wodurch hier sicher auch innerartlich individuelle Unterschiede nicht auszuschließen sind.

Unter den von mir beschriebenen Haltungsbedingungen ergaben sich mit den beiden beschriebenen afrikanischen Labeo-Arten bisher keine Probleme. Ganz im Gegenteil, es handelt sich um dankenswerte Aquarienbewohner.

Auch für den guten alten Feuerschwanz kann ich mir eine Haltung, beispielsweise in einem Cichlidenbecken, durchaus vorstellen. Hier habe ich auch bereits Hinweise von anderen Aquarianern erhalten, die keinerlei Vergesellschaftungsprobleme mit Feuerschwänzen hatten.

Wer also Fransenlipper im Gesellschaftsbecken einsetzen möchte, steht nicht von vornherein auf verlorenem Posten, wie meine Erfahrungen gezeigt haben. Die Mitbewohner sollten allerdings auch ein ausreichendes Durchsetzungsvermögen haben. Ein wachendes Auge empfiehlt sich jedoch, aber das haben wir Aquarianer ja so oder so.

Eckhard Fischer, Aquarienverein Hildesheim

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